Eine Pyramide, die die Zeit in die Zukunft projiziertDer Wemdinger Künstler Manfred Laber plant für seine Heimatstadt ein Kunstwerk für die nächsten 1200 Jahre 600-Tonnen-Monument Von unserem Redaktionsmitglied Michael R. Seifert Wemding Die Idee löst vom ersten Moment an eine Faszination aus, die, lässt man sich erst einmal darauf ein und seinen Assoziationen freien Lauf, um so mehr zunimmt, je länger man sich mit ihr beschäftigt. Und an Kühnheit ist sie wohl unübertroffen, denn wo auf dieser Welt wurde schon einmal ein Kunstwerk geplant, dessen Vollendung, in voller Absicht, erst in 1200 Jahren vorgesehen ist? 1200 Jahre zurück in die Vergangenheit, das ist in unserer schnelllebigen Zeit für jeden von uns durchaus ein "überschaubarer" Zeitraum, denn um hier Positionen festzumachen, hat man ja die Geschichte. Vor über 2000 Jahren wurde Augsburg gegründet, vor 1992 Jahren begann mit Christi Geburt unsere Zeitrechnung - und vor 1199 Jahren wurde erstmals urkundlich Wemding erwähnt, die heutige Kleinstadt am Rande des Rieskessels. Im nächsten Jahr wird deshalb 1200 Jahre Wemding gefeiert, die Vorbereitungen auf dieses Jubiläum laufen längst auf Hochtouren. Eine runde Zahl mit einem historischen Fest zu feiern, das ist heute allerorten "in". Die Zahl 1200 und die Verbindung zu seiner Heimatstadt waren es letztlich auch, die Manfred Laber zu seiner kühnen Idee inspiriert haben. Wobei er aber schon länger mit dem Plan schwanger gegangen ist, seiner Stadt ein Denkmal zu schenken. Vor allem bei Spaziergängen in der herrlichen Umgebung der Wallfahrtsstadt, "wenn ich beim Blick ins Ries die Geschichte dieser Landschaft direkt hautnah gespürt habe", wie der 59jährige seine Eindrücke schildert. Fünf Monate in Berlin In Wemding geboren und aufgewachsen ist Manfred Laber übrigens heute nur noch ein Teilzeit-Wemdinger. Als freischaffender Künstler hat er sich das Jahr so eingerichtet, dass er etwa fünf Monate in Berlin in seinem Atelier arbeitet, während er die restliche Zeit zwischen seinem Zweitwohnsitz Wemding und einer Dependance im sonnigen Spanien aufteilt. 1200 Jahre Wemding haben nun Manfred Laber zum Pyramiden-Bauer (vorerst nur auf Modellebene) werden lassen. Fasziniert von dieser Zahl hat er gerechnet und dabei schnell festgestellt, welch einmalige Kombination sich da erschließt, wenn man die Steine setzt und dabei in Dekaden vorgeht: Acht mal acht, die Basis, mach 64 (oder 640 Jahre). Einen Stein nach innen gerückt, ergeben sechsmal sechs Steine weitere 360 Jahre. Viermal vier Steine, die dritte Ebene, symbolisieren 160 Jahre. Die letzten vier Steine machen schließlich die Zahl 1200 komplett. Da sich Manfred Laber für seine Zeit-Pyramide Granitsteine von 1,20 Metern Kantenlänge vorstellt, würde seine monumentale Stufen-Konstruktion immerhin respektable 4,80 Meter Höhe erreichen. Fünf Tonnen wiegt so ein einziger Granitstein, macht summa summarum 600 Tonnen fürs Gesamtprojekt. Und bei geschätzten 5000 Mark pro Stein (einschließlich Transport und Aufstellung) wären somit 600 000 Mark hinzublättern. Allerdings nur, wenn man die Pyramide sofort bauen würde. Doch Manfred Laber - und dies ist der nächste faszinierende Aspekt seiner Idee -hat "seine" Pyramide nicht für heute, morgen oder übermorgen geplant. Er will 1993 lediglich den ersten Stein setzten, 2003 noch einen zweiten, vielleicht auch noch einen dritten. Exakt fürs Jahr 3193 hat er die Vollendung seiner Pyramide terminiert. (Wemding wäre dann 2400 Jahre alt). "Das ist schon sehr kühn", gesteht der Künstler unumwunden. Beweise aber andererseits, dass es mittels der Kunst möglich sei, in solchen Dimensionen zu denken: "Da spürt man dann die Wucht der 1200 Jahre ganz anders als im Rückblick auf die Geschichte, denn wer weiß heute schon, was in 20, 50 oder hundert Jahren ist, ob es ein Wemding in 1200 Jahren überhaupt noch gibt?" Auf den Kopf gestellt Ebenso kühn stellt Manfred Laber mit seiner im Modell bereits vollendeten Pyramide den Sinn dieser Bauwerke buchstäblich auf den Kopf. Denn seine Zeit-Pyramide ist kein Grabmal, in dem mit dem Pharao Geschichte begraben wird. Da Laber von Stein zu Stein 60 Zentimeter Abstand lässt, "wird mit dieser Pyramide Geschichte nicht zugedeckt, sondern transparent. Jeder einzelne Stein bleibt sichtbar, das gesamte Monument würde stets und immer begehbar sein". Finanzierung über eine Stiftung Weil er kein weltferner Illusionist ist, hat sich Manfred Laber auch schon Gedanken darüber gemacht, wie seine Zeit-Pyramide -vorausgesetzt er kann seine Idee verwirklichen, weil Stadt und Bürgerschaft ein solches Monument überhaupt wollen, und es findet sich ein geeignetes Grundstück, wobei sich der Künstler einen Standort am flach ins Ries hineingleitenden Westhang zwischen Wallfahrtskirche und Stadt vorstellt - finanziert werden könnte. "Dies wäre schon über eine kleine Stiftung mit 10000 Mark Einlage möglich. Den nächsten Stein in zehn Jahren finanzieren dann allein die Zinsen". Manfred Laber wäre es eigentlich lieber gewesen, wenn seine Idee, die er erst einigen guten Bekannten geschildert hat, noch nicht so schnell publik geworden wäre, er sie zuvor u. a. auch noch dem Bürgermeister hätte erläutern können. Reserviertheit noch groß Einer seiner guten Bekannten, Franz Leinfelder, hat die Idee bereits einem Wemdinger Gremium, dem Gewerbeverband (Leinfelder ist dort Schriftführer), vorgetragen und sehr unterschiedliche Meinungen registriert. Leinfelder: "Persönlich stehe ich hinter der Sache, weil sie mich sogleich fasziniert hat. Im Gewerbeverband war die Reserviertheit aber noch sehr groß, wobei ich festgestellt habe, dass je etablierter einer ist, er der Pyramide umso weniger aufgeschlossen gegenübersteht." |